„Lorscher Evangeliar“ – virtuell wieder vereint

Im Rahmen des Projektes „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ konnte nun auch das in vier Teile zerlegte „Lorscher Evangeliar“ virtuell wieder vereint werden. Die karolingische Pergamenthandschrift, die um 810 in der sogenannten Hofschule Karls des Großen entstand, gilt als eine Zimelie unter den Lorscher, ja sogar als eine der schönsten aller frühmittelalterlichen Handschriften. Sie ist fast vollständig in Goldtinte geschrieben, und jede Seite ist mit einem eigenen, kunstvoll und detailreich gestalteten Rahmen geschmückt. Besonders bemerkenswert sind die vier Evangelistenbilder (Matthäus, Markus, Lukas und Johannes) sowie die beiden Christusillustrationen (Christus mit Vorfahren und thronender Christus). Der Vorderdeckel und der Hinterdeckel des Einbandes wurden jeweils mit filigran geschnitzten Elfenbeintafeln verziert: vorn war die sogenannte Marientafel angebracht, hinten die Christustafel.

Die Handschrift war bald nach ihrer Entstehung in das Kloster Lorsch gelangt, wo sie über das gesamte Mittelalter hinweg aufbewahrt wurde. Dies bezeugt eine Notiz zur Neubindung des Codex im Jahr 1479 unter dem Lorscher Propst Eberhard von Wasen (Vatikan, BAV, Pal. lat. 50, fol. 124bv). Es ist zu vermuten, dass die Handschrift im Zuge dieser Neubindung in zwei Hälften – Matthäus und Markus, Lukas und Johannes – geteilt wurde. In der Mitte des 16. Jahrhunderts gelangte das „Lorscher Evangeliar“ unter Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz aus dem Kloster Lorsch nach Heidelberg in die Bibliotheca Palatina und von dort während des Dreißigjährigen Krieges in die Biblioteca Apostolica Vaticana nach Rom. Hier wird noch heute der zweite Teil des „Lorscher Evangeliars“ mit den Evangelien nach Lukas und Johannes zusammen mit der Christustafel aus Elfenbein aufbewahrt (Pal. lat. 50). Aus Rom gelangte der erste Teil des Evangeliars auf fast unbekanntem Wege nach Alba Iulia, in eine Filiale der rumänischen Nationalbibliothek (Ms R II 1). Die elfenbeinerne Marientafel war spätestens 1785 vom Einband entfernt worden und befindet sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts in England, heute im Londoner Victoria and Albert Museum (Inv.-Nr. 138-1866).

Das komplette „Lorscher Evangeliar“ kann nun in allen seinen vier heutigen Einzelteilen auf der Website „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ angesehen und durchblättert werden.

Hinterlasse einen Kommentar